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Nach wie vor sind die Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Erkrankungsform. Und dies, obwohl in den meisten Fällen durch gesunde Ernährung und ausreichender Aktivität vorgebeugt werden könnte. Aber was tun, wenn ich bereits betroffen bin? lünefitness sprach mit dem Präventivmediziner Dr. Christian Baumbach, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Chefarzt der Klinik für kardiologische und angiologische Rehabilitation im Herz- und Gefäßzentrum Bad Bevensen.

Herr Dr. Baumbach, kann Fitnesstraining Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen?

Durch regelmäßige körperliche Bewegung ist es möglich, über Jahre das Risiko für gefährliche Herz-Kreislauferkrankungen – wie einen Herzinfarkt – zu senken. Zusätzlich verbessert das Fitnesstraining die Koordination und muskuläre Kraft, die Ausdauer. Es schützt daher vor einer altersbedingten Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit und verbessert die Belastbarkeit für die Dinge, die beruflich und privat erledigt werden wollen oder sollen.

Welche Risikofaktoren spielen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen die größte Rolle?

Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hängt vom Lebensalter ab, vom Geschlecht – Männer sind häufiger betroffen als Frauen – und von einer vielleicht bestehenden Veranlagung in der Familie. Auch das Zufallsprinzip spielt sicherlich eine Rolle. Darüber hinaus sind Faktoren des Lebensstils wichtig: Rauchen und Nichtrauchen, Blutfettwerte, Blutdruckwerte und körperliche Aktivität beziehungsweise Inaktivität.

Stichwort Aktivität – welches Training empfehlen Sie zur Prävention?

Zunächst wird eine regelmäßige körperliche Bewegung empfohlen, mindestens zehn Minuten, besser 30 Minuten am Stück. Am besten täglich, zumindest aber jeden zweiten Tag, sodass mindestens drei Stunden pro Woche als Zeit in Bewegung investiert werden. Je mehr Zeit man aufwendet, desto besser. Wenn täglich eine halbe bis dreiviertel Stunde trainiert werden würde, wäre das sicher optimal; das ist aber abhängig von der Belastungsstärke der Trainingseinheit

Zu welchem Training raten Sie?

Zunächst einmal wird das Ausdauertraining empfohlen: Radfahren, Schwimmen, Nordic Walking. Krafttraining könnte das Programm ergänzen. Der Schwerpunkt sollte hier auf Wiederholungen mit etwa 50 bis 60 Prozent der Bewegungskraft liegen. Grundsätzlich gilt aber: Jeder sollte sich die Bewegungsform suchen, die er gern ausführt. Der eine fährt gern Fahrrad, der andere spielt lieber Golf oder Tischtennis.

Und was, wenn man schon an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leidet? Ist auch dann Training ratsam?

Gerade bei Menschen, die wissen, dass eine Herz-Kreislauf-Erkrankung besteht, insbesondere dann, wenn bereits Herzkranzgefäße oder Beinschlagadern behandelt werden mussten, ist ein regelmäßiges Ausdauertraining ein ganz wichtiger und wesentlicher Behand- lungsbaustein. Auch für Menschen mit Bluthochdruck oder Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit“) sollte das regelmäßige Ausdauertraining zur Behandlung unbedingt dazugehören.

Was kann das Training in diesem Fall bewirken?

Nehmen wir das Beispiel Herzinfarkt: Nach einem solchen Ereignis erreicht man durch regelmäßiges Ausdauertraining einen mindestens genauso guten Schutz vor erneuten ungünstigen Krankheitsereignissen wie durch die regelmäßige Einnahme der notwendigen Medikamente, zum Beispiel zur Blutgerinnungshemmung oder zur Optimierung der Blutfettwerte. Nach einem akuten Ereignis wie einem Herzinfarkt sollten zunächst die Belastungsstärke und die Empfehlung zum Ausdauertraining im Rahmen einer sogenannten Rehabilitationsbehandlung festgelegt werden. Der Betroffene kann sich dann mit einer guten Empfehlung – sozusagen mit einem Bewegungsrezept – ausgestattet selbstständig und erfolgreich weiterbehandeln. In dieser Situation ist die Belastungsstärke zum einen von der Leistungsfähigkeit von Herz und Kreislauf, zum anderen von der körperlichen Fitness und dem bestehenden Trainingszustand abhängig.

Können sich bestehende Herz-Kreislauf-Probleme durch Training auch wieder verbessern?

In dem Fall ist die Alltagsbelastung deutlich steigerbar, wenn man regelmäßiges Training verwirklicht. Die direkte Verbesserung einer ausgeprägten Herzschwäche wird durch das Training unterstützt, aber überwiegend durch medizinische Maßnahmen und die optimale Zusammenstellung der Medikamente erreicht. Training führt in diesem Fall aber zu einer erheblichen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Muskeln im Arm- und Beinbereich, sodass darüber der wesentliche Leistungszuwachs erreicht wird. Training verbessert in jedem Fall die Durchblutungssituation des Herzmuskels und der Muskulatur, kann die Bildung neuer Schlagadern bei bestehenden Engstellen anregen und ist langfristig auch gut geeignet, um in vielen Fällen im weiteren Verlauf die Zahl der Herz-Kreislauf-Medikamente zu reduzieren.

Training bei hochsommerlichen Temperaturen – ist das nicht sehr belastend für Herz und Kreislauf?

Bei hohen Außentemperaturen, wie jetzt im Sommer, kann man das Training grundsätzlich fortführen. Bei Hitze ist es allerdings sinnvoll, die Trainingsbelastung zu senken und sich auch am persönlichen Anstrengungsgefühl zu orientieren. Das heißt, darauf zu achten, dass das Training anstrengend, aber noch als angenehm empfunden wird.

Wann sollte man das Training lieber abbrechen?

Bei Unwohlsein, Kopfschmerzen und Muskelkrämpfen sollte die Trainingseinheit beendet und eine Pause an einem kühlen Ort eingelegt werden. Ganz wichtig ist hier eine ausrei- chende Flüssigkeitszufuhr. Zusätzlich sollte auf atmungsaktive Kleidung geachtet werden. Im Sommer wird empfohlen, das Training zu Tageszeiten durchzuführen, in denen es kühler ist – also frühmorgens oder abends.

Worauf sollte man beim Training grundsätzlich achten?

Bevor mit dem Ausdauertraining neu begonnen wird, sollte man sich – wenn eine Herz- Kreislauferkrankung bekannt ist – ärztlicherseits einmal beraten lassen, um mit der richtigen Belastungsstärke zu starten. Zu Beginn braucht es einige Wochen bis Monate, um auf einen guten Leistungsstand zu kommen. Dafür sind, wie eingangs schon erwähnt, regelmäßige Trainingseinheiten optimal. Nach einigen Monaten stellen sich dann erste Erfolge ein: die Gesamtbelastbarkeit verbessert sich und damit auch die Wirkung für die Blutzuckerverarbeitung, es folgen eine günstigere Zusammensetzung der Blutfettwerte und Gewichtsabnahme. All dies wird eine gute Motivation sein, nach der Startphase weiter zu trainieren um langfristig leistungsfähiger zu werden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen möglichst vermeiden zu können oder günstig zu beeinflussen.

Herr Dr. Baumbach, herzlichen Dank für das Gespräch.