Artikel_Gesundheit_Krampfadern

Die gute Nachricht vorweg: Auch wer Krampfadern hat, kann sein Ausdauer- und Krafttraining absolvieren. Allerdings sollten betroffene Sportler dabei unbedingt Kompressionsstrümpfe tragen. Und wer in dem Glauben trainiert, den unliebsamen knäuelartigen Venen in den Beinen mit Sport vorbeugen zu können, dem erteilt Dr. Thomas Nolte eine klare Absage. Im lünefitness-Interview erklärt der Chefarzt der Gefäßchirurgie im Herz- und Gefäßzentrum Bad Bevensen, warum das so ist und was es beim Trainieren mit Krampfadern zu beachten gilt.

 

Herr Dr. Nolte, was versteht man eigentlich unter Krampfadern?

Krampfadern sind funktionsuntüchtige Hautvenen an den Beinen. Die Klappen, die sich alle zehn bis fünfzehn Zentimeter in den Venen befinden, sind hier defekt. Die Folge: Das Blut, dass eigentlich portionsweise über die Funktion dieser Klappen zum Herzen transportiert wird, staut sich beziehungsweise fließt entgegen der normalen Richtung des Blutstroms. Außerdem steigt der Druck in den Gefäßen. Diese dehnen sich aus und werden äußerlich als bläuliche Krampfadern sichtbar.

Warum treten Krampfadern meistens in den Beinen auf?

Weil sich das Blut wegen des gestörten Flusses der Schwerkraft folgend am tiefsten Punkt im Körper sammelt. Blutgefäße sind Röhren, deren Wände bei Bedarf für Flüssigkeiten und Zellen durchlässig werden. Bei Krampfadern sorgt der zunehmende Druck dafür, dass Wasser und Eiweiß aus den Venen in das umliegende Gewebe geschwemmt werden – so entstehen Schwellungen, vor allem über dem Knöchel. Die Anatomie des Fußgelenks stellt nämlich eine Art natürliche Abgrenzung des Blutkreislaufs zwischen Unterschenkel und Fuß dar.

Ausdauertraining oder Krafttraining – was würden Sie Sportlern mit Krampfadern empfehlen?

Das macht überhaupt keinen Unterschied. Natürlich entsteht beim Kraftsport – zum Beispiel beim Gewichtheben im Stehen – ein besonders hoher Pressdruck, vor allem im Bauch. Dieser Druck kann auch den Druck in den Venen steigern und dort einen Rückstau des Blutes begünstigen. Aber egal, ob sie Kraft oder Ausdauer trainieren: Sportler mit Krampfadern sollten grundsätzlich Kompressionsstrümpfe beim Training tragen. Nur dieser Druck von außen wirkt dem Blutstau in den Venen entgegen.

Da hilft auch kein Training?

Nein. Im Langzeitverlauf gibt es derzeit keine Erkenntnisse darüber, dass Sport dem Entstehen von Krampfadern vorbeugen könnte oder Krampfadern gar wieder verschwinden ließe. Auch bestens trainierte Sportler, die über viel Ausdauer und Muskeln verfügen, können Krampfadern bekommen.

Nun sind Kompressionsstrümpfe – zumal noch beim Sport – nicht unbedingt sehr dekorativ!

Bei Krampfadern sind sie aber das A und O. Wer sie nicht regelmäßig trägt, könnte sich Komplikationen einhandeln. 60 Prozent der über 60-Jährigen haben Krampfadern, vier bis fünf Prozent davon entwickeln Geschwüre. Denn durch den ständigen Blutstau vernarbt das Unterfettgewebe irgendwann, die Haut verliert durch die Krampfaderknäuel an Elastizität und wird sehr verletzungsanfällig. Wenn dann eines Tages Hautschäden entstehen, dann hilft nur noch eine operative Behandlung.

Ohne Kompressionsstrümpfe geht also gar nichts?

Genau. Oder aber man lässt die Krampfadern entfernen. Neben dem Ziehen der erkrankten Blutgefäße kommt hier auch das sogenannte Veröden infrage, also die Behandlung mit Laser- oder Radiofrequenzstrahlung. Durch die Einwirkung der gebündelten Energie vernarben die Gefäße und werden anschließend vom Körper abgebaut. Da in den Beinen lediglich rund zehn Prozent des gesamten Beinvenenbluts strömt, ist ein Entfernen in der Regel auch völlig problemlos.