Fitnessstudios und Sportvereine waren sowohl im ersten Lockdown, als auch im zweiten mit die ersten Einrichtungen, die geschlossen wurden – und werden wohl auch wieder die letzen sein, die geöffnet werden. Klar, wir befinden uns inmitten einer Pandemie – und ich verstehe auch, dass Kontaktbeschränkungen dringend nötig waren und sind. Doch gleichzeitig ist und bleibt es eine medizinische Tatsache, dass gesunde, trainierte Menschen mit einem guten Immunsystem vor dem Virus besser geschützt sind als andere. Und genau hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Weniger oder gar kein Training über Wochen und Monate lässt nicht nur die Kraft und Ausdauerfähigkeit, die Muskulatur und das Herz-Kreislauf-System erschlaffen, sondern destabilisiert auch unser Immunsystem. Daraus resultiert ein höheres Ansteckungsrisiko als auch die Möglichkeit eines schwereren Verlaufs bei einer Covid-Erkrankung.

Die schlechte Nachricht vorweg: Im Ergebnis wird Deutschland nach dem Lockdown dicker, träger und ungesünder sein. Die Volkskrankheiten Rückenschmerzen, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden noch höhere Fallzahlen erfahren. Und dies, weil unsere Politik Fitness und aktive Lebensgestaltung als ein Hobby betrachtet, auf das gerne auch verzichtet werden kann. Wir bekämpfen diese Pandemie mit Werkzeugen, die eine weitere Pandemie zur Folge haben wird: Die „Bewegungsmangel-Pandemie“ – und diese wird unsere Gesundheit und unser Gesundheitssystem noch Jahre belasten.

Die Faktenlage

Führende deutsche Aerosolexperten haben unlängst in einem offenen Brief an die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass laut aktueller Studienlage 99,9 % der Covid-Ansteckungen in Innenräumen stattfinden und somit Schließungen von Parks und Ausflugszielen, die Einschränkungen von Sport im Freien oder gar Ausgangssperren falsch sind und die Pandemie eher verschärfen. So steht im Brief an die Regierung: „Die Übertragung der Sars-CoV-2-Viren findet fast ausnahmslos in Innenräumen statt. Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilisieren, dass drinnen die Gefahr lauert.“

Weitere erschreckende Erkenntnisse lieferte die Projektstudie EDDY-Kids (ÖAIE). Die Studie untersuchte die Gewichtszunahme von Schülern im Lockdown und kam zu dem Ergebnis, dass diese im Durchschnitt innerhalb von 6 Monaten satte 4,5 kg zugenommen haben.

Auch der Sport- und Präventionsexperte Prof. Dr. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln warnt vor den drastischen Folgen der Sporteinschränkungen durch die Corona-Pandemie. Vor allem Kinder und Jugendliche sind von der Schließung der Sportstätten betroffen, weitreichende Folgen seien bereits jetzt zu erkennen.

So erklärte Froböse kürzlich in einem Interview: „Ich finde es höchst problematisch, dass der Sport, der sonst immer mit großer gesundheitlicher Relevanz verbunden wurde, aktuell in eine Ecke gedrängt wird. Die Politik sagt, es sei höchst gefährlich, in der aktuellen Situation Sport zu treiben. Dadurch leidet der Sport unter einem Image- und Attraktivitätsverlust. Das macht mir große Sorge. Vor allem, weil das mit in die Familie hineingetragen, und der Sport hier nun völlig anders betrachtet wird. Diese Sportabstinenz führt wiederum dazu, dass sich Kinder andere Beschäftigungen suchen. Kinder müssen spielen, doch die Spiele finden dank der Pandemie nicht mehr körperlich, sondern vielmehr digital statt. Die Zahlen von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die aus Nichtaktivität in den letzten Jahren immer größer geworden sind, sind schockierend. Schauen wir auf die „Diabetes-Pandemie“ hier in Deutschland: Täglich sterben bundesweit ca. 300 Menschen an den Folgen von Diabetes Typ 2. Diabetes ist eine klassische lebensstilbedingte Erkrankung. Dazu kommen Bluthochdruck, Übergewicht usw. – Erkrankungen, die sich hierzulande immer stärker verbreiten. Das ist für mich als Sport- und Präventionsexperte erschreckend, denn hier ist eine viel größere Pandemie unterwegs als die, die wir gerade bekämpfen. Wir erleben eine Bewegungsmangel-Pandemie mit gravierenden Folgen. Das wird unser Gesundheitssystem in den kommenden Jahren komplett überlasten. Das heißt, wir verschärfen aktuell mit der vorherrschenden Pandemie akut andere chronische Erkrankungen.“

Wer sich neben den bekannten und wirksamen Maßnahmen, wie Abstand halten und Maske tragen weiter schützen möchte, sollte so viel Zeit wie möglich an der frischen Luft verbringen, sich täglich mindestens 30 Minuten bewegen und regelmäßig seine Fitness und Ausdauer trainieren. Dies stärkt nicht nur das Immunsystem, sondern hat auch signifikante positive Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden. 

Auch hier weist Froböse auf die positiven Effekte des Sports hin: „Eine neue US-Studie belegt, dass regelmäßiger Sport das Risiko einer schweren Corona-Erkrankung bzw. eines Todes durch Covid-19 bei Erwachsenen stark reduziert. Daher gilt mein Appell erneut der Politik, die Förderung körperlicher Aktivität gerade zu Pandemiezeiten endlich in den Fokus zu rücken, statt komplett brach zu legen.“

Und nun?

Im März 2020 war der erste Lockdown sicherlich eine angemessene politische und gesellschaftliche Reaktion auf das Pandemiegeschehen. Dem Gesundheitsschutz oberste Priorität zu geben war richtig! Doch zur Wahrheit gehört auch, dass es aus gesundheitlicher Perspektive grob fahrlässig ist, Menschen über ein Jahr hinweg die Bewegungsmöglichkeiten, die Fitnessmöglichkeiten beziehungsweise die Sportstätten zu entziehen. Mit den gesundheitlichen Folgen dieser Dauermaßnahme werden wir noch Jahre zu kämpfen haben.

So ist jeder einzelne auf sich selbst gestellt und sollte sich seine individuellen Sport- und Bewegungsmöglichkeiten suchen und wahrnehmen. Eltern sind gut beraten mit ihren Kindern möglichst viel im Freien zu unternehmen und für ausreichend viel Spiel, Spaß und Bewegung zu sorgen.

Das A und O für einen gesunden Körper ist und bleibt unser Bewegungsverhalten. Dies gilt im Besonderen für die Generation 50plus. Gerade mit zunehmendem Alter neigt der Körper dazu Fett einzulagern und Muskulatur abzubauen. Dem können wir nur „aktiv“ entgegenwirken. Ein ausgewogenes Fitnesstraining mit Ausdauer- und Kraftanteilen ist hierbei genauso wichtig wie die Bewegung im Alltag – und dies gilt in Corona-Zeiten mehr denn je!